2009- Olivenernte im Alentejo

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Bunks, Hamburg

Bericht von der Olivenernte 2009 im Alentejo

Die Olivenernte im Alentejo ist eine freiwillige Qual. Nur Menschen mit einem Faible für Selbstgestricktes werden die triste Arbeit auf einem Acker als Vergnügen empfinden. Oder man muss ein Träumer sein, jemand, der in der Lage ist, mit positiven Vorstellungen und Phantasien über eine der ältesten Kulturtätigkeiten der Menschheit die Rückenschmerzen abzutöten - oder sich einfach darauf zu freuen nach getaner Tat an einem prall gedeckten Tisch mit seinen Freunden und Helfern zu sitzen und zum Abschluss der Ernte einen vollmundigen Wein zu trinken.

Während heute selbst die ehemals großen Olivenöle Portugals, Spaniens und Italiens als gepanschte und raffinierte Massenprodukte auf den Markt kommen, haben wir hier im Alentejo noch die Chance eine unverfälschte Olivenölqualität herzustellen.

Aber aus dem Osten kommen neue Botschaften, denn Spanische Unternehmen pflanzen im Alentejo Neuzüchtungen, die in Hinblick auf ihre Größe maschinengerechter sind und wesentlich größere Früchte hervorbringen. Wer den Weg von Figueira do Alentejo in Richtung Beja fährt sieht es mit eigenen Augen, wie in ungeahnter Schnelle neue Pflanzungen entstehen und den Markt mit diesen neuen Qualitäten überschwemmen. Alles mit perfekter Bewässerung, was bisher für die genügsamen Olivenbäume des Alentejo eher unüblich war.

Dagegen sind die herkömmlichen alentejanischen Ölbäume von der Sorte „Galego“ eher ertragsarm, und klein in der Frucht und man muss mit dem Faktor leben, dass die Bäume nur alle 2 Jahre kräftig tragen, weil sie sich dazwischen regenerieren müssen. Kein Wunder, dass die klassischen Pflanzungen mit alten Bäumen immer mehr verwildern, ungeerntet bleiben und die Landwirte auf die neuen Züchtungen aus Spanien setzen.

Wir haben jedenfalls gegen diese Tendenz gehandelt und uns vor 15 Jahren von unserem Nachbarn einen kleinen Hain mit 100 Bäumen geleistet. Eigentlich müssten es glückliche Bäume sein, die ihrem Besitzer die herrliche Lage mit Fügsamkeit und Demut bei der Ernte danken sollten. Gelegen in einem malerischen Quelltal, in welchem zumindest für diese Bäume immer genügend Feuchtigkeit vorhanden ist. Eine Bewässerung der Olivenbäume kommt hier abseits des großen Trubels nicht infrage. Der Nachbar Tio Jorge, weiß, dass einige knorrige Bäume bereits fast 300 Jahre alt sein müssten. Auch diese Bäume werden nicht müde uns dann und wann eine reiche Ernte zu bescheren. Auch wenn es nur in jedem 2. Jahr ist.

Die erste Begegnung mit den Oliven wiederholt sich in jedem Jahr auf die gleiche Weise. Die Helfer bekommen Bambusstöcker in die Hand mit denen man die Oliven vom Baum schlägt. Darunter werden Netze angebracht, die die Früchte und leider auch viel Blätter und Astreste auffangen sollen. Was hier geschieht, ist nur ein rein zweckgebundenes, nützliches und produktives Handeln, das im besten Falle auf das Erzeugen von hoffentlich ganz viel Öl hinzielt. Erfahrene Helfer klettern wie die Affen hinein in die Bäume und schneiden die mittleren Äste heraus, damit das Zentrum des Baumes weiter Licht bekommt. Auch alte trockene Äste müssen herausgeschnitten werden. Die Bäume danken diese Beschneideaktion mit besserem Wachstum, weniger Krankheiten und im 2. Jahr mit guten Ernten.

Nach ein paar Stunden ist der erste Teil des Olivenhains abgeerntet, aber abgeerntet heißt nur, dass die unscheinbaren, grün-schwarz-violett gesprenkelten Oliven auf die Kunststoffnetze unter den Bäumen geprasselt sind wie Hagel.

Jetzt müssen die Netze noch eingebracht und ihr Inhalt „sortiert" werden. Die „schlechten" trockenen Oliven, Blätter und Äste sollen von den Früchten getrennt werden. Nun kommt die „Ciranda“ in den Einsatz. Ein Gerät, das diesen Trennvorgang praktisch selbständig ausführt. Die Früchte mit Abfall oben in den Kasten gekippt rollt alles eine Rutsche herunter, die mit Zwischenräumen versehen ist durch die nun die Blätter, kleinen und trockenen Früchte, Steine und Äste auf den Boden fallen. Unten im Eimer sammelt sich die reine Ware. Diese Sträflingsarbeit, die sich fast zwei Tage hinzieht, lässt viel Zeit für betriebswirtschaftliche Gedanken: Warum kaufen wir für viel Geld einen Olivenhain? Warum schuften wir freiwillig über Tage mit Stangen, Netzen und bloßen Händen bei jedem Wetter im Herbst auf einem manchmal matschigen Untergrund?

Was fasziniert uns an einer Frucht, die zu zwei Dritteln aus einem abweisenden Kern besteht und deren unbehandeltes Fruchtfleisch schmeckt wie das Gift der Tollkirsche? Für den Kaufpreis des Ackers könnte man sich bis ans Lebensende die edelsten Öle aus allen Anbaugebieten zu schicken lassen!

Doch wer so fragt, hat noch niemals den Höhepunkt einer solchen Ernte er lebt. Dieser Moment rechtfertigt wie ein Olympiasieg alle Mühen und beschert die längst vergessene Botschaft des Glücks: „Das Kostbare ist das Natürliche." Mit den abgeernteten, „geputzten" und in Säcken verstauten Oliven fährt man zur Presse zum Lagar do Paral nicht weit vom Ort Santiago do Cacém entfernt. Die Presse ist eine chrom-glänzende, moderne Anlage, in der die Oliven bei Anlieferung mit niedrigen Temperaturen gewaschen werden, ehe sie dann von einer Zentrifuge zu Fruchtbrei und Öl zerstampft und zermanscht werden. Soweit die nüchterne Technik, die indes im Widerspruch steht zum besonderen Gefühl, das sich augenblicklich einstellt. Auch die vom Schichtführer abgegebene Nummer 49, die eine garantierte Wartezeit von 4 Stunden bedeutet, tut der Euphorie keinen Abbruch. Denn wie beim Betreten der Anlage führt auch der Geruch in dieser kleinen Werkshalle sofort in eine andere Sphäre. Frisch gepresste Oliven riechen wie feuchte Waldwiesen morgens, oder wie eine intensive Kräuterkonzentration aus Rosmarin, Basilikum, Thymian, Liebstöckel und Brennnessel, das alles grundiert von einer herben Note. Es ist ein vollkommenes, Aroma, ein Geruch, in dem keine störende Nuance liegt und der das angenehme Gefühl von Gesundheit, Frische und hoher Natürlichkeit vermittelt. Schon dieser Geruch betört, aber unvergleichlich ist erst dieses Rinnsal, das wie eine Quelle aus der modernen Maschine ganz hinten heraus fließt. Gäbe es grün-gelb geschmolzenes Gold, gäbe es das Licht der Südsee in verflüssigter Form, ja, gäbe es etwas wie fließende Reinheit, es müsste dieses portugiesische Öl sein.

Sein Geschmack ist übrigens ganz anders als die verpanschten Öle, die man in den Supermärkten kaufen kann. Es schmeckt warm und voll und ist ohne jede Säure. Am Rachen tritt ein bitteres, leicht kratzendes Gefühl auf, was für Kenner der Geschmacks-beweis für Frische ist. Kombiniert mit einem Stückchen Weißbrot und einem frischen alentejanischen Rotwein, ergibt sich ein Genuss, einfach, aber vollendet.

Auch unsere Oliven sind derweil im Lagar von Paral, durchgelaufen, und betriebswirtschaftlich betrachtet ist das Ergebnis eine Farce: Die 100 Bäume haben —ihrer Quellenlage zum Trotz — einen Ertrag von 45 Litern gebracht. 45 Liter! Wer würde da nicht Schadenfreude empfinden und sich an den Kopf schlagen? Aber nur nicht zu schnell gefreut: Jeder Tropfen dieser 45 Liter ist unendlich viel wert, weil er ein reines Naturprodukt ist. Was dort hinten hinaus fließt, ist ein handwerkliches Spitzenprodukt, das uns, sowie unsere Freunde und Helfer ein ganzes Jahr begleiten wird. Und im nächsten Jahr heißt es dann erneut „auf zur Olivenernte nach Portugal“!!